Pygmalia

Emmi ist eigentlich nicht unhübsch. Sie ist auch noch nicht wirklich alt. Ihre Katzen haben es gut bei ihr. Sie lieben es in der gemütlichen Wohnküche in der Nähe des Backofens den Tag zu verschlafen. Manche von Emmis Freundinnen meinen, Emmi hätte ihr ganzes Leben verschlafen. Das ist aber ein hartes Urteil, das sich Emmi nicht verdient hat. Was kann sie dafür, dass sie nie den richtigen Mann kennengelernt hat? Genaugenommen hat sie aber nicht einmal den falschen kennengelernt. Schon das Wort Männerbekanntschaft hat für sie etwas Anrüchiges an sich. Und anrüchig will sie nicht sein. Wenn es in ihrer Küche nach etwas riechen darf, dann nach Lebkuchen. Nicht nur in der Weihnachtszeit, nein auch im luftigsten Frühling, im heißesten Sommer und im windigsten Herbst zieht ein wunderbar warmer, zimtiger Duft nach Lebkuchen durch das ganze Haus. Und dieses Haus steht, das sollte an dieser Stelle erwähnt werden, irgendwo im Weinviertel. Ich sage irgendwo, weil es eigentlich nichts zur Sacht tut, ob es in Röschitz steht oder in Ulrichskirchen. Es geht ja um Emmi, nicht ums Haus. So gut ihre Lebkuchen duften, so gut schmecken sie auch. Und da haben wir noch nicht von ihrem Aussehen gesprochen. Emmis Lebkuchenherzen sind ohne Zweifel die lieblichsten der ganzen Region, ihre Lebkuchensterne leuchten aus allen anderen hervor, aber, was auch nicht promovierte Psychologen auf den ersten Blick bemerken würden, ist die Tatsache, dass ihre Lebkuchenmänner besonders liebevoll gestaltet sind. In ihre Zuckergusskleidung, in ihre Zuckergussfrisur investiert Emmi viel Zeit. Aber am wichtigsten ist ihr die feine Zeichnung ihrer Gesichtszüge. Es ist erstaunlich, wie viele verschiedene Ausdrücke eine Frau einem Mann mit Hilfe eines Spritzsackes verpassen kann. Manche von Emmis Männer lächeln zurückhaltend, manche mit hilfloser Freundlichkeit und andere wieder respektvoll staunend. Aber alle sind sie lieb zu ihrer Emmi.

In der Kunstgeschichte gibt es ein bemerkenswertes Phänomen. Es hat sich nämlich schon so mancher Künstler in sein eigenes Werk verliebt. Warum sonst hat Leonardo da Vinci seine Gioconda jahrelang mit sich herumgeschleppt? Wie war das seinerzeit mit Ovids Pygmalion und dessen Elfenbeinstatue? Es war genauso wie mit unserer Emmi und ihrem Prinzen. Eines Tages hatte sie nämlich einen Lebkuchenmann zu einem Prinzen verzuckert, gegen den Prinz William eine Vogelscheuche war. Sein Lächeln verzauberte sie, seine Schönheit ließ das Blut in ihren Adern kochen. Nach seiner Fertigstellung hatte er zwar einen festen Platz in ihrem Herzen, nicht jedoch in ihrem Haus. Da sie sich kaum von ihm trennen konnte, trug sie ihn dauernd mit sich, damit er immer an ihrer Seite sein konnte, beim Lesen, beim Kochen und erst recht beim Schlafen.

In der Geschichte gibt es ein ganz anderes Phänomen. Obwohl man in royalen Kreisen auf Benehmen höchsten Wert legt, obwohl man den Prinzessinnen und Prinzen, zumindest nach Meinung der royalen Kreise, die beste Erziehung angedeihen lässt, benehmen sich manche von ihnen verhältnismäßig schlecht, das heißt, in ihren diversen Verhältnissen mäßig. Man sollte es nicht glauben, aber so war es auch bei Emmis Prinzen.

Wie es sich aber mit dem Prinzen verhielt, lesen Sie lieber selbst im Buch:

SAGENHAFTES aus dem WEINVIERTEL und den anderen Vierteln dieser Welt, erschienen in der Edition Weinviertel     ISBN: 978-3-902589-80-4

Erhältlich im Buchhandel oder im Onlineshop des Verlages

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