Neuburg lag unweit eines mächtigen Flusses. Zwischen der Stadt und dem breiten Strom lag nur ein schmaler Streifen grünen Auwaldes. Bedeutsame Straßen verbanden Neuburg mit den anderen großen Orten des Landes. Sie führten von Ost nach West, sie kamen auch von Norden her. Nur in den Süden gelangte man von Neuburg aus nicht so leicht, weil es weit und breit keine Brücke über den Fluss gab. Da war lediglich eine kleine Fähre, welche höchstens zwei Fuhrwerke auf einmal ans andere Ufer übersetzen konnte, und das auch nur in den warmen Jahreszeiten und bei Schönwetter. Der Fährmann war ein vierschrötiger Mann und man tat gut daran seinen Anweisungen während der Fahrt aufs Genaueste zu befolgen. Wenn auch das Fährboot noch so klein war, er war der Kapitän. Sein Name war Dolff. Bei den Neuburgern war Dolff nicht unbeliebt, und seine Ruderer wären für ihn durchs Feuer gegangen. Während der Überfahrt konnte man mit ihm über Dies sprechen oder über Jenes, er zeigte sich in allem bewandert, er kannte sich aus. Auch imponierte es den Leuten, wie er mit seiner Fähre durch die Wellen pflügte, wie er mit kurzen präzisen Befehlen seine Matrosen scheuchte, wie er ein ums andere Mal bewies, dass er ein guter Mann am rechten Ort war. So manch einer hatte sich bei Dolff schon Rat geholt. Und so manch einer hatte Dolff während einer rauen Fahrt ein Problem anvertraut. Gemeinsam Erlebtes schweißt Männer zusammen. Wie gesagt, Dolff war nicht unbeliebt.
In der kleinen Stadt war es gut wohnen. Die Bauern der Umgebung verkauften ihre Waren am Markt, Gemüse, Obst, Würste, Blumen. Auch das Handwerk blühte. Mit der Zeit wurden aus kleinen Greißlern große Kaufhäuser, in den es alles gab, was man für Geld kaufen konnte. So wuchs Neuburg langsam aber stetig. Und mehr als einmal mussten die Stadtmauern erweitert werden. Hatte ein Bauer fünf Kinder oder mehr, kamen manche von ihnen in die Stadt und blieben. Und den Wirten war das recht. So lebten die Neuburger stolz und zufrieden in ihrer schönen Stadt.
Den Jungen war es gar nicht aufgefallen und auch manche Alte bemerkten es nicht gleich. Wenn eine Veränderung ganz langsam erfolgt, in winzigen Schritten sozusagen, bleibt sie lange unbemerkt. Der Pfeifferl-Peter war der erste, der eine Bemerkung in eine gewisse Richtung machte. Der Pfeiffer-Peter war Musikant und als solcher sehr hellhörig. Mit seinem Hölzl zog er von Dorf zu Dorf, von Fest zu Fest, und merkte als erster dass die Neuburger dabei waren sich zu verändern. >A bisserl gr0ßkopfert< kamen sie ihm vor, als er nach längerer Abwesenheit wieder zu Hause vorbeischaute. Und das tat ihm weh. Er war hier geboren, hat hier unter ihnen seinem Pfeifferl die ersten Töne entlockt und hat später, als sein Instrument schon alle Melodien kannte, den Leuten bei ihren Festen aufgespielt. Die Neuburger waren seine Leute, seine Freunde zu denen er gepasst hat wie das Hölzl zu seinen Lippen. Aber irgendetwas war ihnen zu Kopf gestiegen.
Aber was ist eigentlich schlecht daran, wenn es den Leuten gut geht? Sie bauen schönere Häuser, sie halten die Straßen rein und natürlich auch sich selbst. Und diesen Wohlstand dürfen sie doch auch zeigen. Sie kleiden sich dann besser, sie essen und trinken besser. Und das ist wieder den Wirten recht. Daran ist doch nichts Schlechtes, oder?
>Der Pfeifferl-Peter ist ein Nörgler< hörte man bald im Gasthaus zum Grauen Bären, >wenn es ihm bei uns nicht passt …<. Es waren nicht die hochgestellten Bürger, die solche Worte fanden, es waren die einfachen Leute. Vor allem die Matrosen von der Fähre taten sich hervor, wenn sie genug getrunken hatten. Aber mit denen wollte sich niemand anlegen, nicht einmal der Wirt. Dieser getraute sich aber nicht mehr den Pfeifferl-Peter in seiner Gaststube spielen zu lassen. Bei ihm war der Gast König. Es gab ja noch andere Wirtshäuser in der Stadt und schließlich waren die Nachbardörfer auch nicht weit. Ob der Pfeifferl-Peter eigentlich noch ein Neuburger war?
Auf den Straßen und mit der kleinen Fähre kamen nicht nur fahrende Händler in die Stadt, manchmal brachten diese auch allerlei Nachrichten mit. Eines Tages berichtete Dolf, der Fährmann, er hätte Fremde gesehen. Mit eigenen Augen hätte er sie gesehen. Auf der Straße am Südufer wären sie unterwegs gewesen. Sie kämen von ferne, sagten die Leute, vielleicht aus Sylva, wo immer das auch sein mochte. Es war zwar nicht ganz klar woher sie kamen, dass sie aber bleiben wollten schon. Natürlich brachte er keinen dieser Sylvanten herüber. Geld hatten sie ja keines. Sie tränken keinen Wein, war die nächste bemerkenswerte Botschaft aus seinem Mund, ihre Sprache sei total unverständlich und manche Junge wären unbegleitet. Als der Pfarrer daraufhin begann die Gemeinschaft aller Christen von der Kanzel herab einzumahnen, trat endlich der Stadtrat zusammen, um das zu tun wofür er berufen war, nämlich zu raten. Und nach langer Beratung trat der Rat aus dem Rathaus und riet den Neuburgern unbesorgt zu sein. Der beruhigende Effekt, den man sich erhofft hatte, blieb aus. Ganz im Gegenteil, >stellt die Wachen auf<, hörte man sofort einen Neuburger rufen, >stellt die Wachen auf<. Und wer da so laut rief, war niemand anderer als Dolff, der Fährmann. >Stellt die Wachen auf<, war seine Forderung an den Stadtrat. Dolff stand am Platz vor dem Rathaus und zeigte sich besorgt. Alle Anwesenden kannten ihn als starken Mann, als einen Mann der es verstand das Fährboot sicher zu führen. Alle wussten, dass er die Sylvanten kannte wie niemand sonst. Und dieser starke Mann schrie nun >stellt die Wachen auf<, das hatte Gewicht. Was Dolff, der starke Bootsführer, schrie, musste mitgetragen werden. Alle blickten auf Dolff und achteten auf das was er jetzt tun würde. Er genoss dieses Ansehen sichtlich und schrie, umringt von seinen Leuten, noch lauter >stellt die Wachen auf<. Also brüllte bald die ganze Versammlung dem Stadtrat entgegen >stellt die Wachen auf<. Wie versteinert standen die Räte dem Mob gegenüber. Und der Mob rückte mutig vor.
Was aber weiter geschah, lesen Sie am besten direkt im Buch:
SAGENHAFTES aus dem WEINVIERTEL und den anderen Vierteln dieser Welt, erschienen in der Edition Weinviertel ISBN: 978-3-902589-80-4
Erhältlich im Buchhandel oder im Onlineshop des Verlages
www.edition-weinviertel.at/shop/catalog/product_info.php?products_id=453