Cool Runnings

Woran denken Sie, wenn Sie Jamaika hören? An Sonne, Sand und Meer, Mädchen, Reggae und Rum? Typisch! Ich denke an Usain Bolt, Yohan Blake und Shelly-Ann Fraser-Pryce. Das sind die schnellsten Sprinter der Welt. So stelle ich mir Jamaikaner und -innen vor, jung und sehr, sehr gut zu Fuß. Manche heißen sogar Bob und Harry und sind cool und running.

Ich denke aber auch an Theresa. Sie war auch jung und aus Jamaika. Genauer gesagt war sie fast 10, und ich war ihr Klassenvorstand. Aber ich war es, der rannte. Ich rannte wochenlang ihren Dokumenten nach, die ich hätte einsehen müssen. Sie hatte kein Einsehen. Sprinterqualitäten waren hier nicht gefragt. Ich war der Marathon Man, sie dafür cool. Wenn ich zu ihr sagte: »Theresa, komm bitte zu mir an die Tafel«, durfte ich für die nächsten zehn Minuten nichts geplant haben. Sie tanzte Hüften schwingend durch die Bankreihen, fuhr diesem durch die Haare, spielte mit jener Give-me-Five und trudelte irgendwann bei mir ein. Ein fröhliches Kind, lichter Nougat, aber ohne jeden Sinn für österreichischen Bürokratismus. Das Einsehen der wichtigsten Dokumente zog sich mit der lieben Theresa in die Länge. Hier ein Auszug aus meinem Gedächtnisprotokoll:

»Theresa, du musst mir deinen Meldezettel bringen.«

»Ist gut.«

Am nächsten Tag: »Theresa, zeig mir bitte deinen Meldezettel.«

»Ach ja, morgen. OK?«

Tags darauf: »Theresa, wo ist dein Meldezettel?«

»Ich habe keinen Meldezettel.«

»Sicher hast du einen Meldezettel. Frag deine Eltern.«

»Ist gut.«

Nächste Stunde: »Was ist ein Meldezettel?«

»Das ist ein Zettel, auf dem dein Name und die Adresse steht, an der du gemeldet bist.«

»Wozu brauche ich einen Meldezettel?«

»Damit kannst du mir zeigen, wo du wohnst.«

»Komm mit mir nach Hause, ich zeig dir, wo ich wohne!«